Ford stellt Focus-Produktion ein: Mach et joot
Mehr als ein Vierteljahrhundert lang hat der Ford Focus unseren Alltag begleitet und das Straßenbild in Deutschland entscheidend mitgeprägt. Ford hat vier Generationen seines Kompaktklassemodells in den Dienst gestellt, die sich vor allem durch Alltagstauglichkeit statt großer Auftritte auszeichneten. Nun ist Schluss. Mitte November lief im Stammwerk Saarlouis der letzte Motor für einen Focus vom Band. Ein Verkaufsschlager verabschiedet sich, ohne dass es einen direkten Nachfolger gibt. Solche Zäsuren waren im Automobilkosmos früher nur selten zu beobachten. Heute gehört Abschied nehmen fast zum Normalbetrieb einer Industrie, in der der Wandel selbst zur einzigen Konstante geworden ist.
Die Karriere des Focus begann 1998. Mit seinem New-Edge-Design, das sich durch klare Linienführung und mutig polygonale Details auszeichnet, war er damals ein echter Hingucker. Heute wirkt dieser Stil wie ein Relikt aus der Zeit der ersten SMS-Flatrates und Handys mit Klappantenne. Auch der Name war neu. Der Focus trat das große Erbe des Escort an und sollte Ford in der Kompaktklasse neu positionieren. Er wurde von Ford of Europe entwickelt, war aber von Anfang an für den Weltmarkt gedacht. Ab 2000 rollte er auch in den USA vom Band und avancierte dort schnell zum Bestseller.
Die erste Generation bot bereits ein aus heutiger Sicht überraschend breites Programm. Neben dem 4,15 Meter kurzen Steilheck in Zwei- und Viertür-Ausführung gab es eine Stufenhecklimousine und den besonders beliebten Kombi Turnier. Auch bei den Motoren konnte man schon damals aus dem Vollen schöpfen. Die Spanne reichte von 55 kW / 75 PS bis zu 158 kW / 215 PS im 2.0 RS. Letzterer setzte ab 2002 mit 232 km/h Topspeed und rauem Turbocharakter ein echtes Ausrufezeichen. Prägend für die gesamte Baureihe war die aufwendige Mehrlenker-Hinterachse. Sie markierte den Beginn jener Tradition, die den Focus über Jahrzehnte hinweg zum Geheimtipp für Fahrdynamik-Fans machte.
2004 folgte der Focus II, der die bekannten Tugenden weiter ausbaute. Vielfalt wurde hier zum Trumpf. Neben den klassischen Karosserieversionen gab es ab 2003 den Kompaktvan C-Max, später die Outdoor-Ausstattung X-Road und ab 2008 das von Pininfarina entworfene Cabriolet CC. Das Frischluft-Abenteuer endete allerdings schon 2010.
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Sportlich nahm der Focus II damals die Rolle ein, die heute von Hot-Hatches wie dem Cupra Leon oder dem Hyundai i30 N gespielt wird. Der ST mit dem legendären Fünfzylinder aus Volvo-Regalen leistete 226 PS und hielt sich tapfer neben dem Golf R32. Darüber rangierte der RS mit 305 PS, der 2009 am Wolfsburger Muskelprotz vorbeizog. Dem Hardcore-Focus setzte Ford mit dem 350 PS starken RS500 die Krone auf. Mit weltweit 500 Exemplaren blieb dieser allerdings eine Randerscheinung.
2010 stellte Ford die dritte Focus-Generation vor. Sie blieb der Fahrspaß-Tradition treu und legte technisch kräftig nach. Besonders der von 2016 bis 2018 gebaute RS mit 350 PS gilt bis heute als einer der kompromisslosesten und technisch ausgereiftesten Kompaktsportler seiner Zeit. Neu in der Focus-Welt waren außerdem moderne Doppelkupplungsgetriebe und die EcoBoost-Motoren, die kleinen Hubraum mit beachtlichem Temperament kombinierten. Auf der Dieselseite sorgten die sparsamen EcoBlue-Aggregate für niedrige Verbräuche. Ein Highlight war der 1,5-Liter-TDCi-Econetic, der sich mit rund 3,4 Litern begnügte.
Focus Electric: Ausreißer im besten Sinne
Der 2013 eingeführte Focus Electric war ein Ausreißer im besten Sinne. Seine rund 34 kWh große Batterie sorgte für eine Reichweite von über 200 Kilometern, während sein Gesamtgewicht mit etwa 1,7 Tonnen erstaunlich niedrig lag. Der elektrische Pionier blieb dennoch Randnotiz, weil E-Mobilität damals erst wenige Fans hatte und die Ladeinfrastruktur eher Wunsch als Wirklichkeit war.
2018 folgte der vorerst letzte Focus. Er verband Fahrspaß und Komfort so harmonisch wie nie zuvor. Vernetzte Infotainment-Systeme, digitale Assistenzsysteme und LED-Matrixscheinwerfer führten das Modell erneut technisch an die Spitze der Kompaktklasse. Die Auswahl schrumpfte zwar auf Fünftürer, Kombi und eine in Deutschland kaum nachgefragte Stufenheckversion, doch bei Motoren und Ausstattung blieb der Focus ein Allrounder. Bei den sportlichen Versionen legte Ford den Turbo allerdings etwas sanfter an. Der 2.3 EcoBoost ST schaffte mit 280 PS und 250 km/h zwar immer noch beachtliche Werte, überbot aber nicht mehr die Exzesse früherer RS-Modelle.
Seit 1970 mehr als 16 Millionen Autos gebaut
Mit dem Produktionsende endet auch ein Kapitel der Industriegeschichte des Saarlands. Seit 1970 wurden in Saarlouis mehr als 16 Millionen Autos gebaut. Ford will die Fertigung von Ersatzteilen vor Ort fortsetzen und damit bis 2032 rund 1.000 Arbeitsplätze sichern. Über Jahrzehnte hinweg waren 7.000 bis 8.000 Menschen in dem Werk beschäftigt. Der Name Focus dürfte ebenfalls nicht ganz verschwinden. Es gibt offenbar Überlegungen, ab 2027 in Valencia ein neues Crossover-Modell mit dem bekannten Namen zu bauen, das weiterhin mit Verbrennungsmotoren angeboten werden soll.
Bis dahin bleibt der Focus ein Auto, das sich nicht über Prestige, sondern über Alltagstauglichkeit, ausgewogene und fahrspaßorientierte Eigenschaften sowie ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis definiert. Für Millionen Autofahrer war der Focus ein Begleiter über Jahrzehnte, der zwar nie an die Spitze der Verkaufscharts fahren konnte, aber vielleicht gerade deshalb vielen ans Herz gewachsen ist.
Ford Focus (2022)
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