Obwohl der Zusatz "BB" in der Modellbezeichnung "Berlinetta Boxer" bedeuten soll, ist das technisch keineswegs korrekt. Egal, ein verrückter Sportler ist dieser Mittelmotor-Zwölfzylinder definitiv. ntv.de hat ihn gefahren.

Wenn man das Netz befragt, wie ein 512 BB fahre, hört man eher Horrorgeschichten. Schwergängige Kupplung, keine Servo oder unhandlich. Ja, vielleicht. Doch vorweg: alles halb so wild. Das Problem auf den ersten Metern mit dem legendären 512 ist eher, dass ihn kaltes Getriebeöl zur Unwilligkeit verdammt. Und bitte die Kupplung beim Rangieren nicht unnötig schleifen lassen. Es gibt kaum Defekte am BB, die sich mit dreistelligen Summen beheben ließen.

Doch eines nach dem anderen. Der Einstieg ist schon mal einfacher als der Ausstieg. Vor allem auf der rechten Seite möchte die A-Säule den Passagier gerne im Auto behalten. Aber ich sitze ja heute sowieso links. Und dort angekommen heißt es, mit dem dürren Zündschlüsselchen das V12-Orchester hinter meinem Rücken zu aktivieren.

Und der Kaltstart funktioniert schon mal gut, der Zwölfzylinder mit 180 Grad Bankwinkel (baut kompakt, ist aber kein Boxer!) springt schnell an. Das ist schade, denn so klingt wenig durch vom akustisch gleichförmigen Anlassergeräusch, das so typisch für Zwölfzylinder ist. Nun denn. Im 512 BB gelandet, muss man sich sowieso erst sortieren. Die sogenannte Fußgarage ist quasi ein bisschen schräg ausgerichtet, daher sitzt man leicht schräg im Auto. Aber schwergängige Kupplung? Vielleicht im Vergleich zu einem Kia Picanto, aber losgelöst betrachtet - nicht wirklich.

Ja, beim Manövrieren in eine Parklücke wandelt sich der Fünfzwölf plötzlich. Jetzt ist er kein cooler Shower mehr, sondern eine Prüfung für denjenigen, der am Steuer leidet. Denn jetzt muss man cool sein und zeigen, was man kann. Kräftig anpacken und gutes Augenmaß haben. Gar nicht so einfach vor der Eisdiele.

Bitte nicht vor der Eisdiele parken

Aber ich möchte ja gar nicht vor der Eisdiele parken, sondern mit einem historischen Mittelmotor-Sportler die Landstraße ein bisschen unsicher machen. Wobei ich es langsam angehen lasse; sogar ein Golf R überholt mich. Bitte bloß nicht übertreiben. Aber mit jedem Kilometer mehr fühle ich mich wohler im 512. Beschleunigung? Kann er! Wenn man den 4,9-Liter ausquetscht, marschiert er, presst sich in den schicken, wenngleich nicht sonderlich bequemen Sportsitz. Das Fachmagazin "Auto Motor und Sport" bescheinigte dem gegenüber dem Ur-Modell BB mit Vergaser etwas leistungsreduzierten BBi für damalige Zeiten unglaublich fixe 5,9 Sekunden bis 100 km/h. Und ganz ehrlich? Das kann ein Golf R auch nicht besser.

In Fankreisen ist der Vergaser mit 360 statt 340 PS zwar beliebter. Aber das ist weitgehend unbegründet, denn der mit Boschs K-Jetronic ausgestattete "Iniezione" hat Punch genug. Auch der 512 BBi ist ein Racer durch und durch, sein "Tipo F110A" unter der formschönen Abdeckung verfügt selbstverständlich ebenfalls über Trockensumpfschmierung, damit der Schmierfilm bei extremer Querbeschleunigung nicht abreißt.

Der BBi ist trotz seiner aus Fansicht formulierten Defizite begehrenswert, auch wenn sein Triebwerk noch nicht die technische Reife des Testarossa mit Vierventiltechnik - der BBi ist ein Zweiventiler - und nicht mehr die animalische Wucht des Vergasers hatte. Und wenn man den Zwölfender in den Drehzahlbegrenzer jagt, also bei knapp 7000 Touren ankommt, schreit auch der Einspritzer energisch, wobei sein metallisches Schnauben einen Tick charakteristischer sein könnte. Jammern auf hohem Niveau.

512 BBi muss nichts mehr beweisen

Macht aber nichts, denn der über 40 Jahre alte BBi muss heute niemandem mehr etwas beweisen. Daher bereitet er auch bei gelassener Gangart viel Freude, besticht beispielsweise durch ausgeprägte Elastizität. Ruckeln im unteren Drehzahlbereich? Verkneift sich der eher kurzhubig ausgelegte Benziner mit den beiden obenliegenden Nockenwellen weitgehend. Und jetzt, da sämtliche Öle schön angewärmt sind, ist der 1,6-Tonner im Flow. Nun lässt sich auch das Fünfganggetriebe herrlich leichtgängig durch die offene Schaltkulisse führen. Und während der Fahrt meldet die Lenkung sauber zurück. Dass sie nicht servounterstützt arbeitet, merkt man allenfalls beim Abbiegen.

Was ist also der 512 BBi heute? Der aus dem Hause Pininfarina stammende V12-Mittelmotor-Sportler schafft sicherlich die schnelle Runde, aber Leonardo Fioravanti hat dafür gesorgt, dass man ihn auch gern anschaut. Innen geht es klassisch zu mit kantiger Armaturentafel und zwei großen Rundskalen - schön italienisch mit den orangeroten Skalierungen, aber funktional und fein.

Ach ja, wer in den Fachmedien etwas über eine enttäuschende Höchstgeschwindigkeit liest - das möchte ich an dieser Stelle gern geraderücken: "Auto Motor und Sport" hatte im Test 1983 stattliche 288 km/h gemessen. Und in der Werksangabe? Ein zeitgenössisches Prospekt bescheinigt dem bloß 4,40 Meter langen Athleten 280 Sachen. Check. Lust auf einen 512 BB bekommen?Ob Einspitzer oder Vergaser – um die 250.000 Euro muss man wohl anlegen für ein gutes der rund 2000-fach gebauten Exemplare. Und ein paar Zehntausender für etwaige Wartung in der Hinterhand wären auch nicht so schlecht.

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